Verkauf von Limbach Handdrucken zugunsten der Ukraine-Hilfe

Die Vernissage der Ausstellung der elf Handdrucke der Gerechtigkeits- und Kramgasse nach den Zeichnungen von Fridolin Limbach, findet am 22. März um 18 Uhr im «aTable» an der Münstergasse 4 statt. Die Ausstellung dauert bis zum 27. April.

Die Bilder, die abschnittweise die Häuserzeilen in der Kram- und der Gerechtigkeitsgasse zeigen, können während den Öffnungszeiten im «aTable – Schneller bewegt» besichtigt werden. Wer einen der gerahmten Handdrucke zum Preis von 250 Franken erwerben möchte, kann sich dort in die aufliegende Liste eintragen. Wenn sich für einzelne Hausabschnitte mehrere Interessenten melden, dann entscheidet das Los. Die allfällig nötige Ziehung wird an der Vorstandssitzung des Kramgassleists am 28. April vorgenommen. Die Käufer werden direkt informiert und können die Bilder anfangs Mai abholen.

Die Einnahmen aus dem Verkauf der Handdrucke wird der Kramgassleist aufrunden und für die ukrainische Flüchtlinge spenden. Die aktuelle Situation in der Ukraine und die Flüchtlingswelle in den benachbarten Ländern hat die Bevölkerung schockiert und den Leistvorstand veranlasst, mit dem Bilderverkauf nicht die eigene Kasse zu füllen. Wer zur Äufnung des Betrags beitragen möchte, kann auch während der Vernissage und der Ausstellung etwas in die bereitstehende Kasse legen.

Spannende Hintergrundinfos:

Der Architekt Fridolin Limbach erstellte in der ersten Hälfte der Siebzigerjahre des letzten Jahrhunderts unzählige Aufnahmen in der Gerechtigkeits- und der Kramgasse und zeichnete dann die Häuserzeilen naturgetreu nach. Von diesen Zeichnungen wurde anschliessend eine beschränkte Anzahl von Handdrucken erstellt. Der Kramgassleist, welchen Nicola Schneller präsidiert, konnte kürzlich einen ganzen Satz dieser Zeichnungen aus einem Nachlass günstig erwerben und macht ihn ab dem 22. März 2022 bis zum 27. April im «aTable» an der Münstergasse 4 für alle zugänglich. Interessenten, die einen der gerahmten Handdrucke nach der Ausstellung erwerben möchten, können sich bei uns melden. Den Erlös wird der Leist für die Unterstützung der Ukraine-Flüchtlinge spenden.

Hin und wieder bekommt man in Berner Wohnungen oder Büros einen „Limbach“ zu sehen. Selten wird auch wieder einer zum Kauf angeboten. Aber eine ganze Kollektion von den Hauptgassen der Unteren Altstadt? Das dürfte doch noch etwas seltener anzutreffen sein! Die „baugeschichtliche Arbeit“, wie Fridolin Limbach sie selbst benannte, erledigte der Architekt – der zusammen mit einem Partner mehrere Jahrzehnte ein Architekturbüro in der Gerechtigkeitsgasse 36 betrieb und im gleichen Haus wohnte – ausschliesslich in seiner Freizeit. Dabei ging er äusserst akribisch vor und überliess nichts dem Zufall. Er durchstöberte die Archive der Stadt Bern und suchte nach alten Plänen, beschaffte sich Geometerpläne und erstellte photogrammetrische Aufnahmen. Dann begann die eigentliche Arbeit: das Zeichnen. Für die Detailzeichnungen, die Limbach unter den Häuserzeilen hinzufügte, stellte er dann seinen Zeichentisch nochmals an verschiedenen Stellen in der Altstadt auf. 

Eine aufwändige Freizeitbeschäftigung

Nach sieben Jahren Arbeit an den Zeichnungen entstand 1977 das Buch „Die schöne Stadt Bern“. Folgende Beschreibung ziert den Umschlag des Buchs: „Die bewegte Geschichte der alten „Märit-“ oder „Meritgasse“, der heutigen Gerechtigkeits- und Kramgasse und der alten Zähringerstadt Bern. Handdrucke, Zeichnungen, Bau- und Hausgeschichten, Chroniken, alte Drucke, Berner Mandate, Regierungserlasse und Karten.“ Aber mit dieser Veröffentlichung war die Arbeit von Fridolin Limbach nicht abgeschlossen. Er machte sich bald daran, auch die Strassenzüge der Spital- und der Marktgasse aufzuzeichnen und für die Nachwelt festzuhalten. 

Am 4. März 1997, dem 70. Geburtstag des Architekten Limbach, wurde im Casino Bern und im Gebäude der Brandversicherung seine Ausstellung „Traumstrasse der Welt“ eröffnet. Er sagte damals: «Den grössten Teil meiner Freizeit der Jahre 1970 bis 1997 konnte ich dieser schönen Arbeit widmen. In ungefähr sechstausend Arbeitsstunden habe ich Haus für Haus, Stein für Stein, Gitter für Gitter, Kamin für Kamin aufgenommen und gezeichnet. Diese Aufnahmen im Massstab 1:100 nachher reduziert auf den Massstab 1:200 ergaben dann die Grundlage für die Reinzeichnungen der 19 Teilstrassenzüge und unzählige Einzelzeichnungen.“

Dauerhaftes Erbe für die ganze Altstadt 

Diese Ausstellung war bei den Bernerinnen und Bernern äusserst erfolgreich. 1998 bat deshalb der Anzeiger der Stadt Bern, damals zum früheren Bund-Verlag gehörig, den Verantwortlichen der Ausstellung, eine Artikelserie über die vier Hauptgassen der Altstadt zu verfassen. Die Zeichnungen von Häusern, Türmen, Brunnen und so weiter sowie die sie begleitenden Texte – die Serie umfasste 50 Beiträge – bescherten dem Autor zahlreiche Anfragen von Leuten, die das entsprechende Buch kaufen wollten. Da die Abbildungen und Texte auf der Ausstellung basierten, gab es dieses Buch aber (noch) nicht. 2002 legte Fridolin Limbach dann, dem Wunsch vieler Bernerinnen und Berner entsprechend, das Buch vor und gab ihm den Titel der Ausstellung, „Traumstrasse der Welt“. Im gleichen Jahr feierte er seinen 75. Geburtstag und seine Firma, das „Atelier für Architektur und Altbausanierung“, das 30-jährige Bestehen. Fridolin Limbach verstarb 84-jährig im November 2011 und hinterliess den Bewohnerinnen und Bewohnern der Berner Altstadt ein Erbe, das klar mehr ist als eine Momentaufnahme. 

Vorübergehend profitiert auch der Kramgassleist von diesem Nachlass. Vor ein paar Monaten erhielt er ein Mail von Ursula Seger, ob der Leist an den Limbach-Drucken der Hauptachse der Unteren Altstadt interessiert wäre. Er war! Und Frau Seger holte die Bilder aus dem Estrich, wo sie sie nach dem Tod ihres Vaters aufbewahrt hatte.

Der Nachlass von Kurt Schweizer

Alt-Gemeinderat Kurt Schweizer – der Vater von Ursula Seger – wohnte bis zu seinem Tod 2004 am Münzrain 3, unter dem Hotel Bellevue. Die grosse Wohnung verfügte über einen langen Gang, und den zierten die elf Drucke der Zeichnungen von Fridolin Limbach, auf denen die Häuserreihen der Gerechtigkeits- und der Kramgasse abgebildet sind. Das heisst, Schweizer durchschritt jedes Mal auf dem Weg durch den Korridor die Kram- und die Gerechtigkeitsgasse im Format 1:200. 

Seine Tochter Ursula Seger erinnert sich gut daran, weiss aber nicht, ob ihr Vater diese Drucke erworben oder aber möglicherweise auch vom Architekt Fridolin Limbach erhalten hatte, war der 1921 geborene Journalist und SP-Politiker Schweizer doch während 13 Jahren Berner Stadtrat und dann während 16 Jahren Gemeinderat. Er leitete von 1968-76 – damals war der Gemeinderat noch siebenköpfig – den Bereich Wohnen und Verkehr. Genau in dieser Zeit entstanden die Limbach-Zeichnungen der Häuserfassaden in den zentralen Gassen der Unteren Altstadt. In den folgenden acht Jahren war Gemeinderat Schweizer dann für die Stadtbetriebe verantwortlich. Er schrieb zuvor viele Jahre für die Berner Tagwacht und war zwischen 1963 und 67, also bis zur Wahl in den Gemeinderat, deren Chefredaktor. 

„Die Zerstörung beginnt im Detail“

Wenn sich Gemeinderat Schweizer in seinem Korridor täglich daran erinnern liess, dass man der Unteren Altstadt Sorge tragen muss, dann hatte Fridolin Limbach in seinem Buch „Die schöne Stadt Bern“ bereits ausführlich auf die Gefahren hingewiesen, die dieses Gesamtbild bedrohen. So schrieb er: „Die Zerstörung fängt oft im Kleinen an.“ Und er wies darauf hin, dass oft Jalousieläden demontiert und nicht ersetzt oder durch moderne Storen ausgetauscht würden; dass Fassaden ausgespachtelt und gestrichen würden, so dass die Steinteilung verschwinde; dass Fenster erneuert und dabei die zum Stil des Hauses gehörende Sprossenteilung weggelassen würde; dass ein Wald von Verbots- und Hinweistafeln, elektrische Verteilkästen, technische Tableaus und Schränke die Gassenseite verunziere. Limbach war dafür, dass schmale Häuser mit einem Durchbruch der Brandmauer zusammengeschlossen werden könnten, was die rationelle Erschliessung durch Treppenhausgemeinschaften und Liftanlagen ermögliche. In seinem Schlusswort stellt er eine Forderung auf, die nach wie vor Gültigkeit hat: „Sehr wichtig ist, dass eine sensibilisierte Öffentlichkeit, Fachleute und Hausbesitzer und eine aufgeschlossene Stadtverwaltung vernünftig zusammenarbeiten. Etwas weniger Gesetzes-Perfektionismus wäre heute notwendig!“

Text: Evelyn Kobelt, Bern